INTERVIEW Achim Hickmann und Andreas Kersting freuen sich auf das Ortsderby am Sonntag
HAMM • Es ist das Prestigeduell schlechthin. Wenn es am Sonntag ab 17.30 Uhr in der Evora Arena zum Aufeinandertreffen der Hammer SpVg mit dem SV Westfalia Rhynern kommt, geht es in diesem Spiel der Fußball-Oberliga um weit mehr als nur die drei Punkte. Welchen Stellenwert das Derby für beide Vereine hat, verrieten HSV-Sportchef Achim Hickmann und der Sportliche Leiter der Westfalia, Andreas Kersting, in einem Interview mit Patrick Droste.
In den beiden Derbys zuvor gab es keinen Sieg für die HSV. Zuerst das 0:4 im Hin-, dann das 1:1 im Rückspiel. Herr Hickmann, wie groß ist jetzt Ihre Lust auf einen HSVSieg? Und wie wichtig ist es Ihnen persönlich, dieses Derby zu gewinnen? Hickmann: Die Lust auf einen HSV-Sieg ist immer groß, egal gegen wen. Wichtiger als Siege gegen Rhynern ist mir die Platzierung am Ende der Saison. Wenn wir Fünfter werden, und Rhynern ist Vierter, wäre ich zufrieden.
Und wie wichtig wäre Ihnen ein Dreier, Herr Kersting? Kersting: Ich würde mich für unseren Verein freuen. Bei uns weiß jeder, was es bedeutet, einen Sieg gegen die HSV zu erringen. Dann hat man wieder ein halbes Jahr Ruhe in der Stadt. Wir werden heiß sein, dürfen aber nicht überdrehen. Ich gehe davon aus, dass wir das Spiel nicht verlieren werden.
Trainer Goran Barjaktarevic war beim 1:1 noch als Zuschauer vor Ort und meinte zuletzt, dass Rhynern damals spielerisch die bessere Mannschaft war. Hat die HSV unter der Regie von Barjaktarevic diesen Abstand zur Westzfalia schon aufgeholt oder sind die Hammer inzwischen spielerisch sogar besser als das Team vom Papenloh? Hickmann: Rhynern hat eine gute, eingespielte Mannschaft mit sehr guten spielerischen Ansätzen und geht als Favorit in dieses Duell. Ich gehe davon aus, dass wir den Abstand verringern konnten, aber ob es schon zu einem Sieg reicht, bleibt abzuwarten. Genau lässt sich das auch nach dem Spiel gegen Rhynern nicht beantworten, da bei diesem Derby die Tagesform entscheidet.
Herr Kersting, die Rhyneraner Torschützen in der vergangenen Saison in den Spielen gegen die HSV waren Stanislav Iljutcenko (3), Kevin Hagemann und Samet Akyüz. Von diesen Jungs ist keiner mehr dabei. Ein Problem? Kersting: Nein, überhaupt nicht. Dann müssen eben andere die Treffer machen. Ich mache mir auch keine Gedanken über die Spieler, die nicht mehr bei uns sind, sondern nur über die, die uns jetzt zur Verfügung stehen.
Dann nehmen wir den Gedanken mal auf. Bilal Yavuz soll nun Iljutcenko ersetzen. Hat er das Potenzial? Kersting: Für Bilal ist das nicht leicht. Er wird andauernd mit Stani verglichen und macht sich wohl selbst viel zu viele Gedanken darüber, in wessen Fußstapfen er tritt. Dabei darf man nicht vergessen, das Stani auch ein halbes Jahr benötigte, um bei uns anzukommen. Bilal hat jetzt zwei Klassen übersprungen, er soll locker bleiben. Wir glauben an ihn und geben ihm die nötige Zeit, sonst hätten wir ihn nicht mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ausgestattet.
Wird es für Sie immer schwerer, als „Perlenfischer“ in den unteren Ligen aktiv zu sein? Der SV Westfalia lebt ja quasi von Ihrem guten Riecher, wie die Beispiele Björn Traufetter, Dennis Buschening und eben Iljutcenko zeigen. Sie alle kamen als Nobodys und starteten dann von Rhynern aus durch. Kersting: Leichter wird es nicht. Die Konkurrenz schläft nicht. Manchmal ist das auch mit Glück verbunden. Man muss zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sein.
Die HSV hat sich im Sommer neu aufgestellt: neue sportliche Führung, neuer Trainer, viele neue Spieler. Kann man schon sagen, dass sich das gelohnt hat, Herr Hickmann? Sind Sie mit dem Fußball, den die HSV spielt, und sechs Punkten zufrieden? Hickmann: Ja und nein. Wir können gegen jeden Gegner gewinnen und gegen jeden verlieren. Wir hatten die Chance, in Ahlen zu siegen, wenn wir kurz vor dem 1:0 selbst getroffen hätten. Dann hätten wir jetzt neun Punkte. Andersherum bin ich froh, dass wir die schweren Spiele gegen Erndtebrück und in Sprockhövel gewonnen haben. Wir hätten nach drei Spielen auch null Punkte haben können, daher sind die sechs schon in Ordnung.
Sind Sie in Rhynern mit der Ausbeute von ebenfalls sechs Punkten zufrieden? Kersting: Das sind wir. Wir haben in Erkenschwick zwar verloren, dafür aber die beiden Heimspiele gewonnen. Daher fahren wir mit viel Selbstvertrauen in den Hammer Osten. Da kann sich jeder Spieler profilieren, sich zeigen. Wir werden fokussiert, aber mit der nötigen Lockerheit in die Partie gehen.
Herr Hickmann, wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen den neuen Entscheidungsträgern bei der HSV, also zwischen Ihnen, Goran Barjaktarevic und dem neuen Abteilungsleiter Hartmut Weber? Läuft schon nach kurzer Zeit alles nach Wunsch oder gibt es in dieser Dreiecksbeziehung noch einige Ecken und Kanten, die abgeschliffen werden müssen? Hickmann: Wir haben klare Absprachen. Der Trainer ist für den sportlichen Bereich zuständig, und Hartmut Weber mit seiner Abteilung managt den organisatorischen Bereich. Beide machen einen hervorragenden Job.
Also hat Ihr Wunschtrainer Goran Barjaktarevic bislang die Erwartungen erfüllt? Hickmann: Wir hatten auch in den vergangenen Jahren immer gute Trainer, aber Goran ist ein ganz anderes Kaliber. Man sieht schon die Handschrift des neuen Coaches. Die Art und Weise, wie er an seine Aufgabe herangeht, wie er das Training leitet, wie er mit den Spielern und dem Umfeld kommuniziert, das gefällt mir sehr gut. Aber es gibt noch viel zu tun, und ich bin mir sicher, dass er noch einiges mehr aus der Mannschaft herausholen kann.
Wie lange wird Rhynern noch Trainer Björn Mehnert halten können, der bekanntermaßen höheren Ligen entgegenstrebt? Kersting: Klar wissen wir, dass Mehne in Richtung Professionalität will. Aber wir sind da ganz entspannt und warten ab. Er ist jetzt im dritten Jahr bei uns. Und das ist länger, als viele erwartet hätten. Er fühlt sich eben sehr wohl bei uns und kann in Ruhe arbeiten.
Wie lange bleibt es bei der HSV ruhig, Herr Hickmann? Erfahrene Spieler wie Glöden, Baum, Erzen, Harder und Cerci sind nicht mehr erste Wahl. Haben diese Jungs noch eine Zukunft bei der HSV oder ist geplant, sie in der Winterpause abzugeben? Kann man über eine ganze Saison gesehen überhaupt auf die Erfahrung von diesen fünf Spielern verzichten? Hickmann: Diese Aussage stimmt nicht. Nur acht Spieler wurden in allen Spielen eingesetzt, darunter auch der von Ihnen genannte Ferhat Cerci. Rechnerisch wären demnach ja 15 nicht mehr erste Wahl. Wir haben 23 Spieler im Kader, von denen zurzeit fünf verletzt oder angeschlagen sind. Alle anderen sind erste Wahl, aber wir dürfen leider nur maximal 14 Spieler einsetzen, und diese variieren von Spiel zu Spiel; je nach Gegner und Taktik. Alle Spieler haben einen Vertrag bis mindestens Ende der Saison, und ich sehe zurzeit keinen Spieler, auf den wir verzichten wollen.
Wie bewerten Sie die Arbeit des SV Westfalia, der mit geringen finanziellen Mitteln zu einer festen Größe der Oberliga geworden ist? Hickmann: Ich kenne nicht den Etat der Rhyneraner, aber ich mag deren Understatement.
Und wie sehen Sie die Arbeit bei der HSV, Herr Kersting? Schaut man da vielleicht sogar neidvoll hin, weil der finanzielle Rahmen ein größerer ist? Kersting: Ich schaue nicht zur HSV, sondern nur auf uns. Ich weiß, was bei uns machbar ist. Das machen wir und versuchen, das Beste rauszuholen.
Was denken Sie, wie lange es diese Derbys zwischen Rhynern und der HSV noch geben wird? Hickmann: Ich hoffe sehr lange, egal, ob in der Oberliga oder der Regionalliga.
Kersting: Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Noch haben wir das Derby. Und das finde ich gut.
Wie wichtig ist das Derby hinsichtlich der finanziellen Planungen? Hickmann: Das Derby spielt keine Rolle für die finanzielle Planung. Natürlich bringen Besucherzahlen von über 1 000 Fans mehr Geld in die Kassen, aber diese Zuschauerzahlen wünsche ich mir bei jedem Heimspiel. Wenn die Hammer SpVg und Rhynern aufeinander treffen, ist das immer ein besonderer Höhepunkt im Hammer Fußball. Solche Derbys hätten über 5 000 Zuschauer verdient, und das sind noch wenig bei fast 180 000 Einwohnern. Erst wenn wir auf über mehrere tausend Zuschauer kommen, spielen die Besucherzahlen eine wichtige Rolle bei der Finanzplanung.
Kersting: Das Derby hat in unseren finanziellen Planungen eine ganz große Wichtigkeit.
Worauf können sich die Zuschauer am Sonntag ab 17.30 Uhr freuen? Warum sollte kein Fußball-Fan dieses Aufeinandertreffen verpassen? Kersting: Weil es hoffentlich eine richtig gute Partie geben wird.
Hickmann: Es wird ein Spiel auf technisch und taktisch hohem Niveau, da die beiden besten Mannschaften aus Hamm aufeinander treffen. Ich hoffe auf einen offenen Schlagabtausch mit vielen Torraumszenen, vielen Emotionen, ein faires Spiel und einen verdienten Sieger. Wer Fußball mag, packt seine ganze Familie ein und lässt sich dieses Spiel nicht entgehen. Der 8. September ist der ideale Fußballtag. Zuerst um 15 Uhr eines der anderen Spiele in Hamm anschauen und danach sofort in die Evora Arena zum Spitzenspiel. Nicht zu vergessen die sensationelle Currywurst mit Pommes von Theo. Ich wüsste nicht, was man am 8. September Besseres tun sollte.